Hörspiel des Monats Dezember 1977
Diethard Klante |
Aktion Abendsonne |
Dramaturgie: Christoph Buggert |
Rollen und Darsteller: |
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Moderator |
Ernst Stankowski |
Begründung der Jury: „Lebenshilfe“ lautet in den Medien das Schlagwort der Stunde. Hier eine Sendung für die Alten, da für die Behinderten. Herrenlose Tiere werden ebenso vermittelt wie zur Heirat entschlossene Mitmenschen. Nichts scheint da unmöglich, und schon gar nicht die Aktion Abendsonne, in der alte Mitbürger in junge Familien vermittelt werden sollen. Diethard Klantes Hörspiel zeigt, wie die Caritas zur Unterhaltung gerinnt, zum Feierabendquiz mit Musikeinlagen. Er simuliert die Medienwirklichkeit und denkt doch nur satirisch zu Ende, was schon begonnen hat. Das Ergebnis ist eine perfekte Täuschung, von der zu hoffen ist, dass ihre Enttarnung dem Hörer im täglichen Umgang mit den Rundfunk von praktischem Nutzen sein wird. Der Autor war in dieser Produktion des Hessischen Rundfunks sein eigener Regisseur; beide Funktionen hat er mustergültig wahrgenommen. Jury: Eva-Maria Lenz, Michael Schwarze, Gunther Vogt |
Inhaltsbeschreibung Im Rahmen einer neuen Unterhaltungsshow des Rundfunks werden vereinsamte alte Menschen an Interessenten vermittelt. Roderich Schmidt, 71, humorvoll, ledig; Josephine Wittmann, 63, Direktorenwitwe, schlagfertig, gebildet; Hans Faistbauer, 66, geschieden und gewohnt, hart zu arbeiten; Anna Härtel, 60, Witwe eines Waldarbeiters, die sich noch vielfach nützlich machen kann, ein immer fröhlicher Mensch, mit dem man gewiss eine gute Partie macht, wie der als Überraschungsgast geladene Gemeidepfarrer zu berichten weiß - das sind die ersten Kandidaten, die in der neuen Sendereihe Aktion Abendsonne nach einer Familie suchen, bei der sie ihren Lebensabend verbringen können. Natürlich sind alle vier vor der Sendung gründlich untersucht worden, und der Arzt versichert, dass alle tauglich sind, also keinerlei pflegerischen Maßnahmen erforderlich sein würden. Wer von den Hörern sich zur Aufnahme eines der Senioren entschieden hat, kann seinen Wunschkandidaten während der Sendung telefonisch erreichen. Und damit niemand die „Katze im Sack“ kaufen muss, treibt der Showmaster die Alten an, sich vor der Öffentlichkeit mit all ihren Vorzügen und Schwächen darzustellen und ihre finanzielle Situation offen zu legen. Besonders originelle Lebensweisheiten werden von einer Jury mit Bargeld honoriert. Unter den ersten Anrufern ist eine Stewardess, die sich Frau Wittmann als Kinderbetreuung wünscht. Auch so einer wie der Faistbauer, der schon mal richtig zupacken kann, ist begehrt. Als sich eine Anruferin als Schwiegertochter von Frau Härtl zu erkennen gibt und ihr wegen der Teilnahme an der Sendung bittere Vorwürfe macht, kommt es zum Eklat. Doch die Show geht weiter. Am Ende steht Frau Wittman als Siegerin fest: mit 29 Angeboten hält sie den Rekord des Abends. Mit seiner fingierten Livesendung demonstriert Diethard Klante die überhand nehmende Selbsttäuschung der Massenmedien und macht deutlich, dass gesellschaftlich relevante Probleme wie die Isolierung alter Menschen nicht durch spektakuläre Feierabendshows mit Musikeinlagen zu lösen sind. |
Juryentschließung Copyright 1978 Deutsche Akademie der
Darstellenden Künste |